Nur wenige hundert Meter
vom Wanderparkplatz am Rassberg am Rand der Landstraße 10 von Adenau nach Mayen
steht ein unscheinbares Basaltkreuz im Heidegelände. Die verwitterte Schrift
lässt heute kaum erahnen, welch tragische Geschichte sich vor annähernd 200 Jahren an
diesem Ort ereignet hat.
Es
geschah im harten Winter des Jahres 1718. Die Menschen der Eifel hatten sich
gerade von den furchtbaren Schrecken erholt, die die marodierende Soldateska des
französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV in den Jahren zuvor in ihren Dörfern
verbreitet hatte. Und so könnte es sich damals die die nachfolgende Geschichte
zugetragen haben.
Eine Kurzgeschichte erzählt von Ulrich
Siewers
Gleich nach ihrer kargen Mittagsmahlzeit war die Katrin
mit ihrer kleinen Tochter Sophie in Kaltenborn aufgebrochen, um noch vor
Einbruch der Dunkelheit über den Höhenkamm und die schneebedeckten Bergheiden zurück
in ihren Heimatort Arft zu wandern, wo ihr Mann, der Hilgers Theis mit den übrigen
Kindern sicher schon ungeduldig auf sie warteten.
Der Abschied von der allein
lebenden Mutter war ihr schwer gefallen. Die hatte ihre Tochter noch inständig
gebeten, doch noch länger zu bleiben und auf beständigeres Wetter zu warten.
Allein die Sorge um die eigene Familie daheim in Arft war stärker als die
Vernunft. Schließlich war Katrin den Weg schon Hunderte mal gegangen.
Der
Fuhrweg durch das Weidenbachtal war noch gut begehbar und Mutter und Kind
erreichten schon bald den Weiler Jamelshofen. Doch kaum hatten die beiden die
letzten Hütten passiert, verloren sich die Spuren von Mensch und Tier in Eis
und Schnee. Der steile Anstieg hinauf auf den Höhenkamm kostete Zeit und Kraft.
Noch hielt die kleine Sophie tapfer mit. Endlich hatten sie die Höhe erreicht.
Die beiden hielten einen Moment inne. Der über den Höhenkamm verlaufende
Fuhrweg, die alte Kohlenstraße, war unter meterhohen Schneewehen begraben. Mittlerweile
war auch das letzte Sonnenlicht verschwunden. Allein ihrem Instinkt folgend
stapfte die Katrin weiter voran. Der eisige Nordwestwind trieb sie regelrecht vor
sich her. Kurz vor Erreichen des Rassberges versperrten plötzlich Nebelfetzen
die Sicht. Wie finstere Gesellen standen ihr die von Raureif und Schnee
bedeckten Wacholder immer wieder den Weg, der längst nicht mehr als solcher
wahrnehmbar war. Kein Wegweiser, kein Bildstock erleichterte die Orientierung.
Die
beiden irrten immer weiter durch das verschwommene, nebelige Grau. Zu allem
Unglück brach unerwartet früh die Dunkelheit herein und Sophie fing leise zu
weinen an. Der eisige Nebel ließ ihre Tränen auf der Stelle gefrieren. Katrin versuchte verzweifelt das am ganzen Körper vor Kälte zitternde Kind mit
ihrem Wollschal gegen die Kälte zu schützen. Sie rieb seine froststeifen Fingerchen,
denn die Kleine hatte unterwegs ihre wärmenden Handschuhe verloren. Vergeblich
gellten die verzweifelten Hilferufe der Mutter durch das einsame Grau.
Irgendwann versagten Sophies Beinchen den Dienst. Völlig erschöpft kauerte sich
die Katrin unter einen ausladenden Wacholderbusch, um nur für einen kleinen
Moment auszuruhen. Dabei hielt sie die Kleine fest umschlungen. Nur die eine
kleine Pause, danach sollte es weitergehen. Kaum hatte Katrin ihre müden Augen
geschlossen, begann sie von einem warmen Licht zu träumen, das ihr den sicheren
Weg weisen würde.
Erst
im nächsten Frühling fand man die ineinander verschlungenen Körper der Beiden
zwischen den Wacholderbüschen, nur wenige Meter vom Weg nach Arft entfernt.
Seitdem kündet lediglich eine knapp bemessene Inschrift auf dem alten
Basaltkreuz neben der heutigen Landstraße von ihrem tragischen Tod. Da steht
"1718 Teis Hilgers Catrin"
-
mehr nicht!
Ein altes
Basaltkreuz am Rassberg bei Arft ist heute ein stiller Zeuge vom Kältetod der
Mutter und ihrem Kind während des eiskalten Winters 1718